Seit mehr als 20 Jahren betreibt die Caritas Fils-Neckar-Alb ihre nunmehr 5 Tafelläden. Immer in dem Bestreben, ein Angebot für einkommensschwache Menschen zu schaffen, die durch den Einkauf vergünstigter Lebensmittel in der Tafel einen kleinen Puffer in ihrem sonst sehr engen finanziellen Budget haben. Tafelarbeit, so war und ist unsere Grundüberzeugung, die wir immer auch nach außen vertreten haben, ist ein Baustein in der Versorgung ärmerer Menschen, aber nicht deren Grundversorgung. Die Aufgabe, die Grundversorgung sicherzustellen, hat der Staat für seine Bürger*innen. Wir haben die Tafeln immer als wichtiges, aber zusätzliches Angebot verstanden.
Jetzt zeigt sich, dass das nicht stimmt: Die Tafeln sind in der Krise zum Angebot der Grundversorgung geworden. Der Sozialstaat hat Lücken, die nun besonders deutlich zu Tage treten. Die Grundversorgung ärmerer Menschen ist ohne Tafel nur eingeschränkt möglich. Menschen sind, gerade in Zeiten von Hamsterkäufen und teurer werdenden Lebensmitteln auf die Tafeln angewiesen. Aktuell stellt die Caritas viele neue Einkaufsausweise aus und je länger die Kontaktsperren und je mehr Menschen in den Bezug von Kurzarbeitergeld rutschen, umso mehr Menschen sind auf das Tafel-Angebot angewiesen.
Wir beobachten aber auch: ältere Menschen kommen weniger in die Tafel. Das ist auffällig, waren sie doch in den letzten Jahren eine wachsende Gruppe unter unsren Kunden. Wir denken über einen Lieferservice für sie nach. Um den Spagat zwischen notwendigem Schutz und guter Versorgung zu schaffen. Aktuell nehmen uns die neuen Anforderungen des Infektionsschutzes und Aufrechterhalten des Warenangebotes so in Beschlag, dass wir diese Idee nicht so schnell umsetzen werden.
Der Betrieb einer Tafel ist nicht so einfach aufrecht zu erhalten. Die Organisation der Tafel war eingespielt: nun ergeben sich neue Herausforderungen:
Helferstruktur: Bisher waren unsere Tafeln zum Großteil von ehrenamtlich Engagierten getragen. Das Durchschnittsalter der Ehrenamtlichen, die diese teils körperlich anstrengende Arbeit machen ist bei 65+. Sie gehören zur Risikogruppe und sollen momentan nicht mehr in der Tafel arbeiten. Aktuell stoßen wir auf großes Engagement zivilgesellschaftlich organisierter Gruppen oder Einzelpersonen, die uns aushelfen. Wir schaffen es mit ihnen den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die ehemaligen Ehrenamtlichen ersetzen können die „Neuen“ aber nicht. Sie waren oft eine jahrelang eingespieltes Team. Jeder Handgriff war klar. Nun müssen wir viele „Neue“ einweisen, unterweisen, Prozesse erklären. Teilweise beschäftigen wir auch langzeitarbeitslose Menschen, die ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Arbeit in der Tafel sind, aber auch sie bedürfen der Anleitung und der Führung. Derzeit helfen die Hauptamtlichen aus den Beratungs-/Ehrenamtsdiensten mit. Sie setzen sich in der Tafel ein und unterstützen die Markleitung. Doch diese werden an Ihren Stellen gebraucht und nehmen mit zunehmenden Lockerungen der Maßnahmen, ihre ursprüngliche Arbeit wieder auf.
Arbeitsabläufe: Eingespielte Arbeitsabläufe müssen auf den Prüfstand. Die notwendigen Ab-standsregelung und die weiterhin hohen Hygienestandards, denen auch die Tafeln unterworfen sind, erfordern es, dass wir jeden Schritt in unserer Arbeit neu denken müssen: Brauchen wir beispielsweise immer einen Beifahrer bei der Abholung der Ware im Supermarkt? Wie schaffen wir es das Abstandsgebot bei der Sortierung der Ware in engen Räumlichkeiten einzuhalten? Wie schützen wir unsere Helfer? Wie kommen wir an Schutzausrüstung?
Räumlichkeiten: Tafeln sollen zentral liegen, damit sie leicht von möglichst vielen Menschen z.B. mit dem ÖPNV oder auch zu Fuß erreicht werden können. Das Mietniveau in zentraler Lage ist hoch. Wir tun uns sehr schwer geeignete Räumlichkeiten in ausreichender Größe und mit guter Erreichbarkeit zu finden, die den Betrieb der Tafel möglich machen. Das Abstandsgebot erschwert diese Situation nun noch immens. Die Notwendigen zwei Meter Abstand im Verkaufsraum, im Sortierraum zu halten, ist wichtig, aber eben auch schwer durchzuhalten in ohnehin beengten Räumen
Warensortiment: bisher erhalten wir noch ausreichend und vielfältige Ware von den Supermärkten. Diese werden durch eine Vielzahl an Warenspenden privater Personen/Organisationen ergänzt. Es fehlt an Waren wie trockene Lebensmittel, Hygieneartikel, Waschmittel, die die Tafel auch schon vor Corona-Zeiten nicht erhalten haben, jetzt aber besonders wichtig sind für unsere Kunden.
Finanzierung: mehr hauptamtliches Personal, höhere Mieten, steigende Aufwände für Schutzkleidung, Desinfektionsmittel, Reinigungsmittel, neue Organisationsformen wie der Lieferservice für Ältere usw. bei gleichbleibenden Umsätzen (vielleicht werden wir mehr Kunden haben, aber wohl kaum mehr Ware), diese Rechnung ist nicht so einfach zu lösen. Mehr denn je sind wir auf private und kommunale Unterstützung angewiesen. Bereits bisher haben wir gerade von kommunaler Seite eine hohe Unterstützung erfahren. Dass sie ausreicht, um den Betriebs der Tafel lang bzw. mittelfristig zu sichern, ist eher fraglich. Die Tafeln werden jede Unterstützung brauchen, von privater und kommunaler Ebene angefangen bis hin zum Sozialstaat, der spätestens nach der Krise wieder seine Verantwortung gegenüber einkommensschwachen Bürgern und der Sicherung ihres Existenzminiums wahrnehmen muss.
Trotz dieser neuen Herausforderungen sind wir entschlossen unsere Arbeit weiter zu leisten und gerade für die Menschen da zu sein, die besonders hart von der Corona-Krise getroffen werden. Wir sind überzeugt: Tafelarbeit ist mehr als Lebensmittelvergabe – sie ist auch der immer noch notwendige Kitt in den Lücken unseres Sozialstaats. Daher stellen wir uns gemeinsam mit unserer Kund*innen, neuen und alten ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter*innen und unseren Partner*innen aus der lokalen Wirtschaft diesen Herausforderungen. In der Balance zwischen notwendigem Infektionsschutz und gleichermaßen erforderlicher Existenzsicherung sind wir aber auch auf gezielte und schnelle Unterstützung der kommunalen Verwaltung und Zivilgesell-schaft angewiesen.
Wir freuen uns auch weiterhin über Unterstützung in Form von Spenden:
Bank für Sozialwirtschaft: IBAN: DE02 6012 0500 0001 7907 00, BIC: BFSWDE33STG.
Die Caritas Fils-Neckar-Alb betreibt in den Landkreisen Göppingen und Esslingen 5 Tafelläden (Esslingen, Nürtingen, Göppingen, Geislingen und Süßen) und zwei mobile Ausgabestellen (Wendlingen und Wernau). Insgesamt haben wir pro Woche über 2.500 Kunden in unseren Tafelläden und über 200 Engagierte. Weitere Informationen finden Sie auf www.caritas-fils-neckar-alb.de
Pressemitteilung
Tafelarbeit ist mehr als Lebensmittelvergabe
Erschienen am:
29.04.2020
Herausgeber:
Caritas Fils-Neckar-Alb
Mettinger Straße 123
73728 Esslingen
Mettinger Straße 123
73728 Esslingen
Beschreibung